Schapka Berolina

Schapka Berolina (vor dem Berliner Reichstag) mit in Sterlingsilber gefassten Steinen
von links nach rechts (ohne Kreuz):
16 ct. imperial Topas, 12 ct. Beryll,
17 ct. Morganit, 10 ct. weißer Aquamarin,
15 ct. blauer Aquamarin, 17 ct. Smaragd.

Steine im Kreuzensemble der Frontalplatte (rechts): 4 ct. Ceylon-Saphir,
3,5 ct. Spessartit, 2,75 ct. Danburit,
3,5 ct. Spessartit,
5,5 ct. Verdelith-Turmalin

Schapka Berolina

Ein Jahrhundert nach dem Untergang der großen Monarchien folgt die Schapka Berolina der Legende ihres Vorbildes, der russischen Zarenkrone Schapka Monomacha und des Berliner Goldhuts. Sie ist und bleibt ein modisches Accessoire eines wohlhabenden Menschen. Die mit Edelsteinen besetzte goldene Kappe auf einer Zobelkrempe (“weiches Gold”) weckt Begehrlichkeiten nicht nur unter den Reichen und Schönen. Sie zieht die volle Aufmerksamkeit ihres Trägers auf sich und bleibt  in der Welt der Mode ein Unikat, erweckt Gier und hebt sich ab vom Massenkonsum, zu dem die meisten traditionellen Marken inzwischen verkommen sind.

Die  Filigranplatten der Schapka Monomacha halten jeweils nur einen Edelstein, der typisch für die Zeit der Entstehung noch nicht geschliffen ist. Es gibt kein Funkeln aus einem reich facettierten Schliff, nur der Glanz und die Farbe der Steine auf dem tatarischen Filigran betören den Betrachter.

Die moderne Form der Schapka Berolina kommt mit ähnlich wenigen Edelsteinen aus, die allerdings jeder für sich auf einer seidenmatten Grundplatte gefasst sind. Der Schliff der Steine soll den Betrachter mehr bezaubern, als ein religiöses Ornament. Im Gegensatz zum Vorbild ist die Berliner Mütze oben offen und verzichtet bewusst auf das aufgesetzte Kreuz der Zarenkrone, was ihre kantige Form unterstreicht, die gottgegebene Macht negiert, der Aufklärung Mitteleuropas Platz schafft und zum Epochenwandel mit interkultureller Globalisierung hindeutet.

Legende um die Schapka Monomacha

Genua erlangte im Mittelalter als eine der größten Handelsmächte jener Zeit großen Reichtum. Gewürze, edle Stoffe und wertvolle Materialien kamen aus fernen Ländern an die Mittelmeerküste und wurden auf das europäische Festland weiterverkauft. Im Besitz eines Genueser Kaufmanns befand sich eine prunkvolle Kopfbedeckung aus Gold, Filigran, Smaragden und Karfunkeln. Diese Mütze gelangte nach Konstantinopel. Die Legende erzählt, dass die byzantinischen Kaiser (Monomachs) Basileios II. und Konstantin IX. sie 988 dem Kiewer Großfürsten Wladimir dem Heiligen anlässlich seiner Taufe und Eheschließung mit ihrer Schwester Anna nach Kiew schickten. (Boris Antonow: Russische Zaren. Kunstverlag „Iwan Fjodorow“, St. Petersburg, 2005, ISBN 5-93893-111-8)

Zum Zaren krönte sich aber erst Großfürst Iwan IV., der Schreckliche. 1547 legte ihm der Metropolit Makari im Moskauer Kreml die Zeichen der Zarenwürde an: das Kreuz des Lebensspendenden Baumes und die Mütze des Monomach. 1561 wurde der Zarentitel durch eine Urkunde des Patriarchen von Konstantinopel bekräftigt. Seither gilt die Mütze des Monomach als Bindeglied für den Übergang der religiösen Autokratie und des Hofzeremoniells von Byzanz nach Russland, mit Moskau als „Drittem Rom“.

Schapka Monomacha ist die älteste russische Krone, die in der Rüstkammer des Moskauer Kremls zu sehen ist. Es war die Krone aller Moskauer Großfürsten und Zaren von Dimitri Donskoi (Rurikide) bis Peter dem Großen (Romanow). Die Herkunft ist nach wie vor unklar, die Ornamente der Ziselierung deuten auf ihren tatarischen Ursprung in Zentralasien. Sie wird auf das ausgehende 13., beginnende 14. Jahrhundert datiert. Da die Goldene Horde über die Krim einen reichen Handel in den Mittelmeerraum nach Ägypten, Venedig und Genua führte, wäre die Legende um den Genueser Kaufmannshut nicht abwegig. Fakt ist, dass der Kreuzaufbau auf der Mütze des Monomach erst viel später im 15. oder 16. Jahrhundert montiert wurde und die von Gott legitimierte Macht des Zaren versinnbildlicht. Die Form der Mütze wurde von den Großfürsten und Zaren später immer wieder verwendet. Die folgenden Kronen wurden mit immer mehr Brillanten überhäuft und unterstrichen bald die für die Russen typische Orientale Prunksucht. Schöner sind sie dadurch nicht geworden, dafür aber umso teurer.

Die Wahl der Materialien für die Schapka Berolina

Im Mittelalter kannte man nur vier Edelsteine: Diamant, Karfunkel und Saphir (beide Korund) sowie Smaragd (ein Beryll, wie auch Aquamarin, Morganit und Heliodor). Allen gemeinsam war ihr Klarheit, ihr Glanz, das Feuer und Funkeln, ihre Durchsichtigkeit und Härte. Im Grunde genommen hat sich die Edelsteindefinition bis dato nicht geändert, nur das heute viel mehr Mineralien bekannt sind, als noch vor 1000 Jahren. Viele berühmte Diamanten in Kronen haben sich später als Beryll oder Topase entpuppt. Auch der rote Karfunkelstein war nur selten ein Rubin. Oft genug versteckten sich hinter Karfunkeln Spinelle oder Steine der Granat-Gruppe. Schon Gaius Plinius Secundus fasste Rubin und Granat wegen ihrer Ähnlichkeit zu glühenden Kohlen unter dem Begriff Karbunkel zusammen.

Eine Krone ist Symbol der Macht, Macht über andere Menschen, deren Schicksale, Leben oder Tod. Im Mittelalter galt der Topas als Heilstein (gegen Pestilenzen) und besaß die Kraft Abscheu vor Blut hervorzurufen. Folglich sollten alle Herrscher, die Kriege entfachen konnten, einen Topas besitzen. (Nicola Cipriani: Mineralien und edle Steine. Bechtermünz Verlag 1997, ISBN 3-86047-585-1). Für die Schapka Berolina steht der imperiale Topas als Wunsch des unblutigen Zusammenkommens der Völker und Religionen. Der nebenstehende Smaragd knüpft an den indischen Glauben an, dass er Verräter entlarven könne. Er unterstützt also den Wunsch des Topases nach Freundschaft und um die Harmonie der Multikultur der Stadt Berlin. Der Aquamarin taucht in der Schapka Berolina gleich zweimal als Solitärstein auf. Nach Albertus Magnus garantiert der Aquamarin den Sieg über Feinde und vertreibt Kummer und Sorgen. Berlin ist ein Magnet für Kunst, Kultur und Mode. Oft entscheidet die prekäre Finanzsituation Berlins über Leben oder Tod einer Spielstätte, eines Ensembles oder einer Installation. Die Aquamarine sollen gerade jungen und nicht etablierten Künstlern auf den Weg helfen.

Das Symbol der Steine im heruntergesetzten Kreuzensemble der Schapka Berolina

Großes Augenmerk wurde auf die Auswahl der Steine für die Frontalplatte gelegt. Anders als auf den anderen Platten handelt es sich nicht um solitäre Steine sondern eine Kreuzanordnung. Basis ist ein Verdelith-Turmalin. Seine Farbe steht für das üppige Grün der Urstromlandschaft, in die Berlin eingebettet ist. Zwei Karfunkelsteine bilden die Seitenarme. Ihr blutrotes Funkeln symbolisieren Morgen- und Abendrot, Orient und Okzident, Alpha und Omega. Damit versinnbildlichen sie den Nerv der Stadt, als multikulturelles Gebilde, mit all seinen Facetten von Segregation bis Integration. Bei den Karfunkeln handelt es sich um Spessartit-Granate. Sie verheißen Unsterblichkeit, denn sie sprießen als rote Granatäpfel aus dem Baum des Lebens, für den das Kreuzsymbol steht. Sie sind angefüllt mit Samenkörnern, die immer wieder neu entstehendes Leben versinnbildlichen.

Über allem schwebt strahlend gelb die Sonne in Form eines Ceylon-Saphirs, der eins zu werden scheint mit der goldenen Fassung und Grundplatte, auf die er montiert ist. Die Sonne ist die Grundlage des Lebens auf der Erde. Gemeinsam mit den Karfunkeln drückt der Saphir auch die dynamische Bewegung der Sonne aus, die täglich in weitem Bogen über das Himmelsgewölbe läuft, dann aber untergeht, nur um am nächsten Morgen mit ungebrochener Kraft neu zu erscheinen.

Die Arme des Kreuzes sind um einen Danburit angeordnet, ein Stein mit höherer Brechkraft als ein Diamant, der den Betrachter in den Schmelztiegel der Stadt inkulturiert. Der Danburit steht für Wasser zur Befruchtung des Bodens mit Leben. Er sitzt dem Turmalin als Quelle des Lebens auf unserem Planeten auf.

Ich möchte die Krone kaufen.

 

 

 

 

 

 



 

© Marcus Schütz 2007-2008