Slow-Food

Alexander III. ließ sich ein Loire-Schloss auf die Krim bauen. Leider erlebte er das Bauende nicht mehr. Der letzte Zar Nikolaus II. wurde Nutznießer des wunderbaren Baus, ließ es aber weitgehend unmöbliert und nutzte es nur als Picknickschloss. Immerhin lag die Masandra-Weinkellerei gleich nebenan und lud schon einmal zum Aperitif ein, bevor der Russische Service aufwarten konnte.

Foto: Peter Reichelt

© Marcus Schütz im September 2005

Als slow-food Genießer muss man sich vor Augenhalten, dass wir in erster Linie Omnivoren – also Allesfresser sind und daher auf eine abwechslungsreiche Speisekarte angewiesen sind, die den Bedarf an Vitaminen, Mineralien und Mikronährstoffen genauso gerecht wird wie an den organischen Grundnährstoffen: Proteine, Kohlenhydrate und Fette.

Extreme sind wie immer unvorteilhaft. Sowohl der extreme Fleischesser als auch der ausnahmslose Veganer ernähren sich mangelhaft. Wichtig für Entspannung ist aber – egal welcher Diät man sich verpflichtet – dass man dies bewusst tut. Nahrungsaufnahme kann nicht das Verschlingen von fast-food zwischen Computer und Telefon, zwischen Autostau und Abendgarderobe sein.

Und ist der Mensch nicht ein Geschöpf der Lust, der sich hedonistisch Speise und Trank in den Magen-Darm-Trakt hineinverleibt? Nicht umsonst haben uns Maler aller Epochen gerade dieses Thema immer wieder auf die Leinwand gebannt. Und nicht umsonst haben sich Tischkulturen entwickelt, die Speisen auf feinen Porzellanen darreichen, um sie schließlich mit ausgefeiltem Tafelsilber abheben und an der Nase vorbei in den Gaumen befördern zu können. Eine Ästhetik ist entstanden, die mit Tafelwäsche, Kristall und Sitzkultur abgerundet wurde.

Slow-food muss natürlich nicht neu erfunden werden. Der Genuss am Speisen ist vermutlich menschliches Urbedürfnis und erst durch die Industrialisierung und Arbeitshektik etwas auf der Strecke geblieben. Schon lange können wir auf eine geistreiche Abfolge der Speisen vom Apéritive und Horse d’œuvre, über Suppe, Salat, Hauptgericht und allerlei Intermezzi zum Dessert und Digestives zurückschauen. Die langsame Abfolge der Speisen bis zur Abschlusszigarre lässt Zeit zum Genießen, zu Kommunikation, zum Abschalten von Tagesereignissen und Entspannen.

Für den guten Hausmann / Hausfrau beginnt dieser Akt allerdings viel früher, etwa auf dem Markt, wo Kommunikation mit dem Erzeuger oder Händler, dem Kosten der Produkte und schließlich die Auswahl im Mittelpunkt stehen und sich langsam die Architektur des Dinners unter entzückendem Speichelfluss und Vorfreude zusammenfügt.

© Marcus Schütz 2012